Printversion
* Artikel zum
Schwerpunkt
oder Klick auf
den Titel zeigt den
Artikel im Archiv
(neues Fenster).
Sie können dort
unverbindlich
stöbern.
Klappt in der Liste
rechts eine Kurz-
beschreibung des
Artikel aus/ ein.
je länger man über das Thema Trennung nachdenkt, umso deutlicher wird, dass Trennung uns das ganze Leben mehr begleitet als Verbindung. Bereits der Geburtsmoment stellt eine Trennung dar: das Zerschneiden der Nabelschnur. Jeder Entwicklungsschritt, sei er biologisch oder psychologisch, geht damit einher, sich von etwas verabschieden zu müssen: den Milchzähnen, den Kita-Freunden, der Unbedarftheit, den Urlaubsbekanntschaften, der Beweglichkeit … Lebenswege sind gerade heute noch mehr von Zersplitterung gekennzeichnet als in früheren Gesellschaften; wir müssen uns ständig trennen von Arbeitgebern, Wohnorten oder Gegenständen, weil diese einfach nicht mehr so lange halten wie einst. Mit Trennung umgehen zu können, heißt, das Leben meistern zu lernen.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum eine Frau, die sich ganz dem Thema Trennung und Loslassen gewidmet hat, international extrem erfolgreich ist und vom Time-Magazin zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Gegenwart zählt: die Japanerin Marie Kondō, die der ganzen Welt erklärt, wie man sich dauerhaft von materiellem und immateriellem Gerümpel löst. Die Aufräumpäpstin, geboren am 9. Oktober 1984 in Tokio, gehört zu der Generation, die Chiron Opposition Uranus in ihrer Radix hat: Heilen durch Distanz. Man solle heil, gesund und glücklich werden, indem man sich frei mache von Belastungen aller Art, angefangen vom Kleiderschrank. Marie Kondōs erstes Buch erschien just, als Uranus in das Zeichen Widder eintrat; seitdem ist der Hype um sie und den von ihr vertretenen Minimalismus ungebrochen. Mit Distanzplanet Uranus im Trennungszeichen Widder erfüllt ihre Botschaft, jedes Ding kurz in die Hand zu nehmen, um sich dann von ihm zu verabschieden, sofern es nicht unmittelbar Freude bereite, ein mundanes Bedürfnis. Ihre Bücher passen in die Zeit der aktuellen Konstellationen. Hat man früher mit Sammlungen seine Mitmenschen zu beeindrucken versucht, Briefmarken, Zinnkrüge, Schallplatten, gilt der hortende Mensch jetzt als Messie, der sein Leben nicht im Griff habe. Jetzt muss alles blank und frei sein und die größte Potenz stahlt der Chef aus, dessen riesiges Büro bis auf ein winziges Notebook leer ist wie eine verlassene U-Bahn-Station. Doch nun, da Uranus am Ende des Widderabschnitts angekommen ist, melden sich erstmals kritische Stimmen – schauen wir, was passieren wird, wenn Uranus ganz in Stier angekommen sein wird.
Ist das Trennen von alten Socken oder nicht mehr funktionsfähigen Staubsaugern noch eine einfache Übung, wird es bei zwischenmenschlichen Beziehungen schon schwieriger. Der eine will sich lösen, kann aber nicht, der andere sich binden, findet sich aber stets in Trennungssituationen wieder. Da das Dilemma zwischen Nähe und Distanz im Umgang mit Partnern, Kindern, Eltern, Nachbarn, Kollegen etc. zu den besonders komplizierten Alltagsaufgaben gehört, ist es natürlich auch häufig Thema in astrologischen Beratungsmomenten. Auch in dieser Meridian-Ausgabe, in der das Thema Trennung und Distanz den Schwerpunkt bildet, stehen Scheidungen und Beziehungsabbrüche im Vordergrund. Wer sich von etwas trennt, weiß aber zugleich, was oder wem er treu bleibt. So löst vielleicht jemand eine Partnerschaft auf, weil die Partnerin fremdgegangen ist – also bleibt man seinem Ideal einer geschlossenen Zweierbeziehung treu. Während man sich von etwas löst, bindet man sich zugleich stärker an etwas anderes. Sollten Sie sich also gerade in einem Loslösungsprozess befinden, fragen Sie sich nicht nur, wovon Sie sich verabschieden möchten, sondern auch, an was Sie sich stärker binden wollen. Viel Erfolg!
Herzlich,
Holger A. L. Faß